Innsbruck – Kriegsausstellung im Wiener Prater 1917: Auf dem aus Innsbruck angekarrten Rundgemälde rauchen die Gewehre und Kanonen, „aber sie knallen nicht. Die Getroffenen fahren mit der Hand ans Herz, aber es tut ihnen – dieses tröstliche Bewußtsein haben wir – nicht weh.“

So beobachtet es der Autor, Feuilletonist und Übersetzer Alfred Polgar, 1938 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten aus Österreich emigriert, in einem seiner Texte aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, die 1929 in „Hinterland“, erschienen sind. Scharfsinnig, tragisch und, so Kurt Tucholsk­y, voll von „bezauberndem Hohn“, was der „Panorama“-Text trefflich belegt: „Diesmal wieder ist es eine Schlacht (weil doch der Mensch in diesen ruhigen Zeiten hie und da auch was Kriegerisches zur Anregung der Phantasie braucht). Und zwar die Schlacht am Berg Isel. Wenn man von den Kampfberichten, die jeder Tag bringt, sich erholen will, geht man ins Panorama, zur Schlacht am Berg Isel. Dort ist es still und kühl.“ Auch die Tatsache, dass einzig der „Panorama­diener“ zur Auskunft über die Schlacht am Bergisel berechtigt ist, bleibt von Polgar nicht unkommentiert: „Das läßt tief blicken: der Panoramadiener als einzige offiziell anerkannt­e Quelle historischer Belehrung.“

Warum ihn also nicht gleich ausführlicher befragen, nämlich bei „Panoramadiener­führungen“, die Matthias Breit, Leiter des Museums Absam, am 19. Juli und 9. August dort anbietet, wo historische Belehrung noch heute eher dürftig kontextualisiert ist: nämlich rund um das Tirol Panorama am Bergisel (Führungsbeginn jeweils um 16 Uhr, Treffpunkt beim Kassenautomat am Parkplatz).

Eigentlich ist das aber nur ein „Nebenprodukt“ einer ganz anderen Lektüre, die im „Vierdörfereck“ Absam, Mils, Rum und Thaur seit Anfang des Jahres einen scheinbar völlig altmodischen Zugang zum Thema Erster Weltkrieg bietet. Dessen Erfolg umso mehr erstaunt: Es wird vorgelesen. Nämlich aus Manfried Rauchensteiners „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“, jeden zweiten Montag abwechselnd in einem der vier Dörfer. Als Vorleser waren vom Landesschützenkommandanten bis zum Mittelschüler schon die unterschiedlichsten Menschen im Einsatz. Bisher waren insgesamt 500 bis 600 Zuhörer da, darunter viele „Stammhörer“, die von einem Dorf ins andere pendeln. Und an den anschließenden Diskussionen teilnehmen, in denen es, wie Vertreter aus den vier Gemeinden kürzlich zur Halbzeit­bilanz berichteten, u. a. um Geschichtsschreibung und die Lücken in der offiziellen Berichterstattung geht. Um geographische Fragen, denen man auch mit Landkarten zu Leibe rückt („Wo ist denn eigentlich dieses Galizien?“). Oder darum, wie viele junge Männer aus den vier Dörfern schon 1914 als „Kanonen­futter“ eben in Galizien ihr Ende fanden. Was es umso befremdlicher macht, dass das Ausstellungswesen in Tirol (bis auf eine kleine Präsentation im Kaiserjägermuseum) das Weltkriegs-Gedenkjahr so ganz verschlafen hat. Ausgerechnet ein aus einer Dörfergemeinschaft entstandenes Leseprojekt füllt hier (auch noch im zweiten Halbjahr 2014) eine Lücke. Nächster Termin: 30. Juni, 20 Uhr, Schallerhaus Mils. (jel)

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