Generationen von Spaniern sind mit der Marke aufgewachsen: Pescanova. In dem südeuropäischen Land ist die Tiefkühlmarke etwa so bekannt wie Iglo in Deutschland. Umso größer war der Schock, als Pescanova plötzlich Konkurs anmeldete, aus heiterem Himmel.

Wirtschaftsprüfer waren in der Bilanz auf Unstimmigkeiten gestoßen und wollten den Jahresabschluss 2012 nicht unterzeichnen. Denn offenbar sind bei dem Konzern über eine Milliarde Schulden in Beteiligungen versteckt – niemand konnte sehen, wie dramatisch die Situation wirklich war.

Konzernchef Manuel Fernández de Sousa weigert sich bislang, zur Aufklärung beizutragen. Sein Vater hatte den Fischereikonzern, der heute zu den zehn größten auf der Welt zählt, in den 60er Jahren gegründet. Seit drei Jahrzehnten leitet Don Manuel das Unternehmen mit seinen 10.000 Beschäftigten in Alleinregie.

Der Patriarch ist nicht gewillt, irgendjemandem Rechenschaft abzulegen, auch nicht der spanischen Wertpapierkommission CNMV, die vergeblich versucht, Licht in das Dunkel zu bringen. Im Herbst 2012 hieß es noch, dass das Unternehmen, das auf allen fünf Kontinenten präsent ist, einen Schuldenberg von 1,5 Milliarden Euro vor sich herschiebt.

Fehl-Investitionen vor der Krise

Jetzt berichtet die spanische Presse, dass die Verbindlichkeiten fast doppelt so hoch sind. Wie konnte es soweit kommen? Noch gibt es keine schlüssige Erklärung, fest steht nur, dass Pescanova zwischen 2005 und 2007, also kurz bevor es auf der Iberischen Halbinsel zu einem dramatischen Wirtschaftsabschwung kam, einen ehrgeizigen Expansionskurs gefahren hatte.

Fernández de Sousa hatte vor allem in Aquakultur-Anlagen zur Zucht von Lachs und Garnelen in Lateinamerika investiert. Doch das Geschäft mit dem Meeresgetier war offenbar problematischer als gedacht.

Nachrichten zirkulierten, dass Krankheiten den Pescanova-Fischbeständen in Chile und Ecuador zu schaffen machten. Matthias Keller, Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Fischindustrie hält diese Theorie nicht für abwegig: “Gerade in Chile gab es in den letzten Jahren Infektionen beim Lachsbestand”, sagt der Experte.

Kredite konnten nicht bedient werden

Auch in Portugal erlitt Pescanova einen schweren Rückschlag. Dort hatte man im nordportugiesischen Mira rund 140 Millionen Euro in eine Steinbutt-Zuchtanlage investiert, sie sollte die weltgrößte werden und bis zu 7000 Tonnen Fisch pro Jahr erzeugen. Das Ziel wurde nie erreicht. Die Anlage hinterließ einen Verlust von 70 Millionen Euro.

Fernández de Sousa konnte seine Kredite nicht mehr bedienen. Ende Februar bat er seine 45 Gläubigerbanken um einen Zahlungsaufschub. Er habe ein Liquiditätsproblem von 50 bis 60 Millionen Euro, so die Erklärung.

Die Banken wurden hellhörig und wollten lieber ihre eigenen Prüfer in den Firmensitz nach Vigo im nordspanischen Galizien zu schicken, um der Sache auf den Grund zu gehen. Doch Fernández de Sousa wollte sich nicht in die Karten schauen lassen.

Verdacht auf Insiderhandel

Inzwischen tauchen fast täglich neue Hiobsbotschaften auf. Hinter dem Rücken des Verwaltungsrats soll Fernández de Sousa Betriebe im Ausland verkauft haben. In den vergangenen Monaten trennte er sich auch noch heimlich von Pescanova-Aktien im Wert von 31 Millionen Euro, ohne die spanische Wertpapierkommission zu benachrichtigen.

Es sei ihm nur darum gegangen, den Betrieb des Unternehmens weiter zu finanzieren, notfalls in Alleinregie, begründete Fernández de Sousa den Schritt. Doch der Spanier reichte nur neun Millionen Euro als Kredit weiter, den Rest behielt er offenbar in der eigenen Tasche.

Wegen des dubiosen Aktienverkaufs will ihn die CNMV jetzt vor Gericht bringen. Der Vorwurf lautet auf Insiderhandel, denn er wusste damals schon, dass seine Firma vor dem Bankrott steht. Seit Anfang März sind die Pescanova-Aktien vom Handel ausgesetzt, zuvor waren sie um 57 Prozent eingebrochen.

Chance für deutsche Fischindustrie

Allerdings ist der Chef mit seinem verbliebenen Anteil von 7,4 Prozent noch immer größter Pescanova-Aktionär, noch vor dem Brauereikonzern Damm (6,2 Prozent), an dem die Oetker-Gruppe 25 Prozent hält. Für den deutschen Markt hat die Pescanova-Pleite keine Auswirkungen.

Deutschland bezieht nur 1,4 Prozent seiner Einfuhren aus Spanien, die wichtigsten Zulieferer sind Norwegen, Dänemark, Vietnam, Russland, die USA und Thailand. “Viel eher ergeben sich Chancen für unsere eigene Fischindustrie”, sagt Fischindustrie-Verbandschef Keller.

Doch die Spanier wollen das Feld nicht ausländischen Rivalen überlassen. Landwirtschaftsminister Miguel Arias Cañete erklärte jüngst das Überleben von Pescanova zur Chefsache, schließlich mussten in den letzten Jahren der schweren Wirtschaftskrise schon zu viele Traditionsunternehmen dicht machen.

Doch gerade Pescanova war in der Vergangenheit ein Paradebeispiel für die Verquickung von Wirtschaft und Politik. Seit Jahrzehnten steht Fernández der konservativen Volkspartei (PP) nahe, die in Galizien eine ihrer Hochburgen hat.

Der Staat ließ Traumstrände verschandeln

In der strukturschwachen Region, die von jeher viele Auswanderer hervorbringt, ist Pescanova einer der wichtigsten Arbeitgeber. 1994 verschaffte ihm der inzwischen verstorbene Ministerpräsident Manuel Fraga einen Millionenauftrag. Damit konnte der Unternehmer ein Übernahmeangebot des britisch-holländischen Konzerns Unilever abwehren.

Immer wieder stand die Politik dem Konzern zur Seite. Die von Kommunalpolitikern kontrollierten galizischen Sparkassen kauften große Aktienpakete von Pescanova und gewährten der Firma großzügige Kredite.

Die Liste der Gefälligkeiten für den Landsmann ist lang. So sah der Staat auch schon mal gern über Umweltschutzauflagen hinweg und gewährte dem Konzern den Bau von Zuchtanlagen an malerischen Küsten.

Sein Bruder hat ihm den Rücken gekehrt

In der galizischen Presse wird nicht allzu kritisch über Fernández de Sousa berichtet. Jahrelang wurde er hochgejubelt, galt neben Armancio Ortega, Gründer des Textilkonzerns Inditex, als einer der wichtigsten Unternehmer der Nation.

Langsam gehen die Konservativen in Galizien auf Distanz zu “Käpt’n Iglo”. Letze Woche forderte die Landesregierung Aufklärung. Auch Fernández` Bruder José María Fernández de Sousa-Faro scheint ihm den Rücken gekehrt zu haben.

Er leitet mit Zeltia eines der wenigen spanischen Unternehmen, das international angesehen ist. Sein Chemie- und Pharmaunternehmen ist in der Krebsforschung aktiv und hat einige vielversprechende Medikamente, die aus Meeressubstanzen gewonnen wurden, auf den Markt gebracht.

“Kapitän in Seenot”

Anfangs bestand zwischen den beiden börsennotierten Unternehmen Pescanova und Zeltia eine Überkreuzbeteiligung, doch seit geraumer Zeit reden die Brüder nicht mehr miteinander. Auch bei der Pescanova-Belegschaft rumort es gewaltig.

Nur bis April sind die Gehälter der Beschäftigten garantiert. In einer ad hoc eingerufenen Sitzung kritisierten die Arbeiter am vergangenen Wochenende die fehlende Transparenz in der Geschäftsleitung.

Die Gewerkschaften wollen eine Demo für die Sicherung der Arbeitsplätze organisieren. Auf Fernández warten stürmische Zeiten, in Spanien hat er einen neuen Spitznamen: “Kapitän in Seenot”.

  • Alaska-Seelachs

    Der Salzwasserfisch bis zu 105 Zentimeter groß und lebt im Nordpazifik. Sein eigentlicher Name lautet „Pazifischer Pollack“, im Handel ist er aber als Alaska-Seelachs bekannt. Fast jeder vierte in Deutschland verzehrte Fisch ist einer dieser Sorte (23,3 Prozent am Gesamtverzehr).

  • Hering

    Der Hering ist bis zu 40 Zentimeter groß und ein Salzwasserfisch. Er ist im Nordatlantik, in der Nord- und der Ostsee zu finden. 18,5 Prozent des in Deutschland verzehrten Fisches waren 2011 Heringe.

  • Lachs

    Der Lachs verbringt die ersten Lebensjahre im Süßwasser und zieht dann ins Meer weiter. Er wird bis zu anderthalb Meter groß und lebt im Atlantik, in Nord- und Ostsee sowie in deren Zuflüssen. Der Lachs im Handel stammt allerdings meist aus Aquakulturen und wird nicht frisch gefangen. In Deutschland waren 2011 rund 12,5 Prozent aller verzehrten Fische Lachse.

  • Thunfisch

    Thunfische bringen es auf eine Länge von bis zu drei Metern. Der Salzwasserfisch lebt weltweit in warmen Meeren und kann bis zu 18 Jahre alt werden. Der Hunger auf Thunfisch in Deutschland ist beträchtlich: 11,2 Prozent des verzehrten Fisches waren 2011 Thunfische.

  • Pangasius

    Der Süßwasserfisch wird rund 150 Zentimeter groß. Er gehört zur Familie der Welse und ist vor allem in Vietnam und Thailand in Flüssen und Seen zu finden. Der im Handel angebotene Fisch stammt jedoch zu einem erheblichen Teil aus Aquakulturen. Mittlerweile macht er einen Anteil von 4,8 Prozent am deutschen Handel aus.

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