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Von Reinhard Fellner
Innsbruck – Sozialbetrug kostet die Republik jährlich Milliarden. Immer öfter geraten ganze Firmengeflechte ins Visier, die durch Scheinanmeldungen von Mitarbeitern und von vornherein auf baldigen Konkurs ausgelegte Scheinfirmen systematischen Sozialbetrug begehen.
In Tirol war ab 2006 ein kosovarisches Brüderpaar mithilfe seiner weitverzweigter Familie in dieser Weise tätig. Da in ihren Firmen aufgrund der Betrügereien praktisch keinerlei Sozialabgaben anfielen, schafften sie im Bereich der Eisenbiegerei und der Schalungen schnell ein De-facto-Monopol in Tirol und Vorarlberg.
Die zwei federführenden Brüder waren dafür letztes Jahr bereits zu dreieinhalb und drei Jahren Haft verurteilt worden. Ein Täter ist flüchtig. Jahrelange Ermittlungen der Wirtschaftsgruppe des Landeskriminalamtes und des Finanzamtes (Team West) waren im Rahmen einer „Soko Eisen“ vorausgegangen.
Gestern am Landesgericht hatte Strafrichterin Helga Moser nicht nur elf Angeklagte vor sich sitzen, sondern auch eine 218 Seiten zählende Anklage auf dem Richterpult liegen. Allein die Anklagevorwürfe rund um schweren gewerbsmäßigen Betrug, organisierte Schwarzarbeit, betrügerische Krida und das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeträgen zählten 33 Seiten. Durch die betrügerischen Mitarbeitermeldungen sollen Institutionen und Sozialversicherungsträgern wie der Gebietskrankenkasse oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse Gesamtschäden entstanden sein, die an der Fünf-Millionen-Euro-Grenze kratzen.
Wirtschaftsstaatsanwalt Thomas Patterer formulierte es drastisch: „Der heutige Tag ist Schlusspunkt eines gigantischen Sozialbetruges ungeahnten Ausmaßes. Bis zu 833 Mitarbeiter waren Monat für Monat auf Scheinfirmen angemeldet. Dies sind Subfirmen-Sozialbetrugsszenarios, die eine ernsthafte Gefahr für die Finanzierung unseres Sozialssystems bedeuten.“
Patterer zeigte darauf eine Bausystematik auf, in der große Generalunternehmer den Zuschlag bekamen und den Auftrag an seriös wirkende B-Firmen weitergaben. Diese bezogen ihre Arbeiter jedoch von den C-Scheinfirmen, die niemals einen Cent Abgaben zahlten, aber immerfort Konkursrichter beschäftigten. Bezahlt wurden sie indirekt wiederum von der B-Firma. Über eigene D-Firmen ließen sich die Firmen Scheinrechnungen ausstellen.
Da der Sachverhalt bis ins Detail ermittelt war, folgten schon gestern umfassende Geständnisse der Angeklagten. Dies verkürzte den Prozess um Monate – und auch die Strafen. Urteile von drei Jahren Haft (ein Jahr unbedingt) abwärts ergingen bereits allesamt rechtskräftig.
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