Sie ist etwa so groß und schwer wie ein Schulatlas, und sie hat sogar etwas mit einem fernen Land zu tun. „Galizien“, steht auf der gusseisernen Tafel. Hier ist der Reservist Friedrich Krumme am 13. Juni 1915 gefallen. Jahrelang hing die Heldentafel über dem Hintereingang des Hauses von Achim Kalthoff. Dann hat er renoviert. Und so muss er die angerostete Tafel nun erst einmal aus einer Plastiktüte und dann noch einer zusätzlich schützenden Klarsichtfolie holen.

Tod in Galizien

„Aus diesem Hause zog für Deutschland in Kampf und Tod“ steht in der oberen Hälfte der Tafel, wie es im ersten Weltkrieg hunderttausendfach gepasst hat. Und dann folgt das Feld mit dem Namen Friedrich Krummes, seinem Todestag und seinem Sterbeort. Der Rahmen war ein Massenprodukt. Der Einsatz vielleicht ganz praktisch, aber doch eigentlich nur eine Billiglösung.

„Das war mein Urgroßonkel“, stellt Achim Kalthoff fest. Mehr kann er über den Bruder des Vaters der Oma nicht sagen. Wie alt dieser geworden ist? Ob er Kinder hatte? Welchen Beruf er hatte,  bevor er in den Krieg gezogen wurde? Achim Kalthoff muss den Kopf schütteln. Eine Genealogie seiner Familie gibt es nicht. Aber Friedrich Krumme hat hier gewohnt an der Augusta­straße, in dem Haus, das Achim Kalthoff vor einem guten Dutzend Jahren renoviert hat und an dem seitdem kein Platz mehr war für das Heldengedenken als Konfektionsware.

Aber das soll sich ändern. Nicht nur, weil Beinahe-Nachbar Willi Creutzenberg den Hausherrn immer wieder erinnert, dass es die Tafel noch gibt. Creutzenberg, der Herdecker Historiker, hat sie gesehen bei seinen vielen Hausbesuchen, wenn er sich mit der Oma von Achim Kalthoff unterhalten hat. Heimatgeschichte braucht Zeitzeugen. Je weniger Menschen noch erzählen können, wie es damals war, desto wichtiger werden andere Zeugnisse der Vergangenheit.

Wenn Achim Kalthoff nun doch endlich die Tafel wieder vor dem Lichtfenster über der Eingangstür anbringt, ist das aber weniger ein historisches Manifest. „Die Heldentafel gehört nun mal zum Haus“, sagt er, auch wenn sich hier Familiengeschichte und Weltgeschichte berühren.

Das Heldenpathos der ersten Kriegsmonate, in denen der Sieg über die Welt zum Greifen nahe schien und wohl auch über das bittere Ende hinaus, es ist hier in Eisen gegossen.

„Das war sicherlich mehr zur Erinnerung gedacht“, sagt Achim Kalthoff über den Ursprung der Tafel. „Für mich heute“, so der 56-Jährige, „ist sie aber eine Mahnung.“ Die Tafel mag wenig über diesen Friedrich Krumme verraten, diesen vermutlich jungen Mann aus Herdecke, der vor ziemlich genau 100 Jahren im fernen Galizien (heute Ukraine) gestorben ist. Aber ohne dieses Stück Eisen gäbe es gar keine Erinnerung mehr an ihn.

Klaus Görzel

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