Wien (APA) – „Schritt für Schritt dem Sieg entgegen. Die Russen auf der Flucht in Galizien“ (Salzburger Chronik) – „Przemysl vom Feind befreit. Die Russen überall geschlagen“ (Welt-Neuigkeits-Blatt). Glaubte man den Schlagzeilen, schienen die k.u.k-Armee und ihre deutschen Verbündeten im Oktober 1914 unbesiegbar zu sein. Die Wahrheit fand sich zwischen den Zeilen und am Monatsende verdüsterte sich das Szenario.

Kleine Hinweise, dass der Kriegsalltag nicht nur von Euphorie begleitet war, fanden sich etwa im „Illustrierten Sportblatt“ (ISB), wo detailliert berichtet wurde, welcher Sportskamerad an der Front bereits gefallen oder verwundet worden war. Somit wurden zumindest implizit die Gräuel des Weltkriegs transparent.

Noch etwas deutlicher wurde das „ISB“ am 16. Oktober, also bereits im dritten Kriegsmonat. Da wurde unter dem Titel „Die deutsche Jugend“ indirekt und etwas verbrämt bereits so etwas wie Kriegsmüdigkeit angedeutet. „Die Begeisterung, die Deutschland durchtobte, als der Krieg erklärt wurde, ist eine anhaltende, sie äußert sich jetzt, da die Ereignisse heranreifen, nicht mehr so explosiv wie am Beginn, aber Entschlossenheit, die Opferwilligkeit jedes einzelnen ist vollständig die gleiche geblieben.“

Ganz allgemein kippten die damaligen Printmedien völlig in das Kampfgeschehen hinein. Berichte von allen möglichen Kriegsschauplätzen füllten die Seiten. Lokalnachrichten hatten weniger Platz, doch berichtete etwa das „Neue 8 Uhr-Blatt“ immerhin von der bevorstehenden „Demolierung des Hotels ‚zur Birn‘“ auf der Landstraßer Hauptstraße.

„Es verschwindet ein bekannter Gasthof“, schrieb das „Neue 8 Uhr-Blatt“. In der Tat, immerhin waren in dem für seinen 1833 errichteten Tanzsaal berühmten Etablissement „Die goldene Birn“ Geistesgrößen wie die Dichter Adalbert Stifter, Nikolaus Lenau und Honore de Balzac sowie die Komponisten Ludwig van Beethoven und Franz Schubert abgestiegen. Johann Strauß Vater und Sohn, Josef Strauß und Josef Lanner spielten hier oft und gerne zum Tanz auf. 1828 starb in dem Gasthof der griechische Freiheitskämpfer Alexander Ypsilanti.

Doch von solchen Randgeschichten abgesehen war der Krieg das alles überschattende Thema. Selbst das „Wiener humoristische Volksblatt“ namens „Kikeriki“ kam an der Propaganda nicht vorbei. „Der richtige Mann“ hieß der Titel einer Humoreske:

~ „Franzl: Weißt was? Spiel‘ ma Kriegführ‘n! Karl: Ja, aber wer ist denn der Feind? Franzl (nachdenklich): Weißt was? Der Feind ist der krumpe Hausmeister vom Dreizehner-Haus! Der schaut aus wie a Komitatschi, ist geldgierig wie ein Engländer, bockbeinig wie der Belgier, unreinlich wie der Franzos auf Pelagosa und immer b‘soffen wie a russischer Kosak!“ ~ Gegen Monatsende verdichteten sich die Anzeichen, dass das Völkerringen um noch einen Schauplatz reicher werden könnte. „Die Türkei gegen Rußland“, titelten in großen Lettern die „Innsbrucker Nachrichten“, „die Kriegserklärung unmittelbar bevorstehend.“

In Folge hieß es: „Die bedeutsame Nachricht von der Eröffnung der Feindseligkeiten zwischen der Türkei und Rußland konnte eigentlich niemand wundernehmen, der die Entwicklung der Dinge im Osten seit Beginn des europäischen Krieges verfolgt hat. Wenn es nun auch zum Ausbruche der offenen Feindschaft zwischen den genannten Staaten insoferne unerwartet schnell gekommen ist, als er ohne förmliche Kriegserklärung erfolgte, so kann man doch der Türkei keineswegs Voreiligkeit nachsagen.“

Tatsächlich erfolgte Anfang November die Kriegserklärung Russlands an das Osmanische Reich, das damit an Seite der Mittelmächte in den Krieg eintrat. Das Hauptziel des Osmanischen Reiches war die Rückeroberung von Gebieten, die es im Russisch-Osmanischen Krieg 1877/78 verloren hatte.

Ende Oktober stand die türkische Flotte schon in Odessa, und die „Innsbrucker Nachrichten“ warf mit Schlagzeilen um sich, die auch hundert Jahre noch vertraut klingen: „Der Islam steht auf. (…) Die weittragende Bedeutung dieser Ereignisse für die allgemeine Lage in Europa, ja für die ganze Welt, liegt völlig klar. Hier handelt es sich nicht um den Krieg zwischen der Türkei und Rußland allein, sondern die ganze islamitische Welt wird nun aufstehen gegen die Russen, Engländer und Franzosen. Der Europäische Krieg wird zum Weltenbrande, dessen Ende nicht absehbar ist….“

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