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Die Fronten waren beweglicher, Geländegewinne leichter zu erzielen, aber der Erste Weltkrieg im Osten ist weitgehend unbekannt geblieben. Was erzählt die Literatur über ihn?

The unknown war” betitelte Churchill 1931 sein Buch über die Ostfront des Ersten Weltkriegs, und dass der Krieg im Osten unbekannt geblieben ist, das gilt bis heute. Die Deutschen erinnern sich an Tannenberg, vielleicht an die Winterschlacht in Masuren 1914/15 und dann wieder an den Frieden von Brest-Litowsk.

Der Westen steht im Vordergrund. Hier hatten Niederlage und Friede von Versailles ihren Ursprung. In dem ungeheuren Materialeinsatz, in der blinden Technizität zeigte die Westfront das modernere Aussehen. Nach einigen Wochen hatte sich dort der Krieg festgefressen, der höchste Einsatz brachte kaum taktische, keine strategischen Gewinne, alle Opfer waren sinnlos, auch militärisch.

Doch waren die Kriegshandlungen im Osten kaum weniger verlustreich. Aber dort gibt es keine Gedenkstätten, es gibt, anders als im Westen nicht die Orte, deren Namen die Erinnerungen wachrufen. Zu diesem Erinnerungsmangel trägt auch die Literatur bei. Jeder Leser hat eine (wenn auch vielleicht nur undeutliche) Vorstellung vom Krieg im Westen, wie ihn Erich Maria Remarque oder Ernst Jünger beschreiben. Aber was liest man über den Osten?

Am schnellsten dürfte uns Georg Trakls Gedicht “Grodek” einfallen. Und wirklich hat man den Eindruck, dass von einem anderen Krieg die Rede ist. Trakl hatte an der Schlacht von Grodek (Galizien) im September 1914 als Militärapotheker teilgenommen und in einer Scheune 90 Schwerverwundete ohne Medikamente und ärztliche Hilfe zu versorgen. Das erschütterte bis zum Nervenzusammenbruch, auf dem Rückzug unternahm er einen Selbstmordversuch. Am 3. November 1914 starb er, der Krankenakte zufolge durch einen zweiten Suizidversuch.

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Doch sein Gedicht schlägt den Ton der Heldenklage an. Es sind nicht sinnlos Dahingeschlachtete, denen die “stolzere Trauer” gilt. Das “vergossne Blut” ist “rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt”. “Der Schwester Schatten” naht sich, “zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter”. Die “ehernen Altäre”, auf denen “die heiße Flame des Geistes” brennt, sind doch wohl Zeichen einer großen Opfers, das einer größeren Sache gebracht wird.

Sprache des großen Heldengedenkens

Auch in anderen Gedichten aus den ersten Wochen des Krieges arbeitet Trakl mit klassischen Würdeformeln. Immer wieder ist vom Purpur die Rede (“ein strahlender Helm/Sank klirrend von purpurner Stirne”, “die purpurne Woge der Schlacht”, “der purpurne Leib”): Der Verwundete oder Sterbende ist in sein Blut gehüllt wie der Feldherr oder Kaiser in seinen Mantel.

Auch vor dem Krieg schon führte Trakl eine seelisch gefährdete Existenz. Er war stark drogenabhängig, in seiner Lyrik waren Motive von Herbst, Tod, Abend und Abschied stets gegenwärtig. Wenn er das Blut der Verwundeten als Purpur aufscheinen lässt, ist das kaum als Beitrag zur geistigen Mobilmachung gemeint. Und doch ist es irritierend, in solch berühmten Gedichten der literarischen Moderne die Sprache des großen Heldengedenkens zu finden. Würde man das auf diesem künstlerischen Niveau in Werken finden, die unter dem Eindruck der Westfront verfasst wurden?

Ähnliche Beobachtungen kann man auch in den Briefen des Harry Graf Kessler machen. Für Freunde hatte er einen Privatdruck anfertigen lassen, der gerade nachgedruckt worden ist. Man kennt Kessler als den “roten Grafen”, den Weltbürger, nach dem Krieg als Verfechter der europäischen Verständigung.

Alles andere als romantisch

Doch während des Krieges ist er unbedingt vom Recht der deutschen Sache überzeugt. Im Juli 1915 berichte er von den “Aufregungen des Dnjester-Überganges”, den er als Nachrichtenoffizier bei einem österreichischen Division mitmacht. Kessler rühmt die Tapferkeit beider Seiten (“Auch die Russen waren großartig”) und resümiert: “Es waren Kämpfe, wie sie wohl selten in der Kriegsgeschichte vorgekommen sind, homerisch, jeder Mann ein Achill oder Hektor”.

Diesen hohen Ton würde man bei Jünger vergeblich suchen. Dabei ist Kessler durchaus klar – er spricht es schon im November 1914 aus -, dass der Kriegs alles andere als romantisch ist. “Er ist ein gigantisches, geschäftiches (!) Unternehmen.” Die Arbeit im Armeeoberkommando gleicht der in einer Bank, das Pflichtbewusstsein der deutschen Soldaten dem Ernst der Arbeiter. Nicht die Bravour würde den Ausschlag geben. Und darin trifft er, was Historiker über den Krieg im Osten sagt: Die Fronten sind beweglicher, die russische Brussilow-Offensive 1916 führte zu größeren Geländegewinne als alles, was die Alliierten im Westen versuchten.

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