Apr
28
Heute vor 71 Jahren wurde in der Ukraine die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS „Galizien“ („Halychyna“) gegründet. In Lwiw wird der Jahrestag regelmäßig gefeiert – mit einer „Parade der Stickerei“. Denn: Stickerei ist nicht nur Handarbeit, sondern auch Ideologie.
von Lara Schultz
Die ukrainische folkloristische Tracht ist reich mit Stickereien verziert und soll den Kampf gegen die „Russifizierung der Jugend“ symbolisieren. Frauen tragen bestickte Blusen zum Rock, Männer bestickte Hemden zur Hose. Die Motive sind nicht immer nur traditionell. Vereinzelt findet sich auch gestickte SS-Symbolik bei Aufmärschen. Die Parade hat noch einen weiteren ideologischen Hintergrund: Die Wehrmacht wurde bei ihrem Einmarsch nach Lemberg / Lwiw im Sommer 1941 begeistert empfangen – unter anderem mit einer Parade, zu der die Frauen die traditionellen reich bestickten Blusen trugen.
Heute ist die Stickkunst, so scheint es, aktueller denn je. „Fünf Gründe, Stickerei zu tragen“ titelte Anfang des Monats das ukrainische Lifestyle-Magazin „Gigamir“ und führte aus: 1) Stickerei sei vor allem auf qualitativ hochwertigen Leinenhemden gut, weil Leinenhemden über einen hohen Tragekomfort verfügen. 2) Stickerei sei vielseitig, weil zu Anzug, Rock und Jeans kombinierbar. 3) Stickerei bedeute Tradition und versinnbildliche Patriotismus. 4) Stickerei diene als Talisman, denn ein von der fürsorglichen Mutter liebevoll besticktes Hemd helfe gegen den bösen Blick und bewahre vor Unheil. 5) Modisch sei Stickerei sowieso.
Bereits seit 2010 wird auch in Lwiw jährlich am 28. April mit einer „Parade der Stickerei“ beziehungsweise einem „Marsch der Geistesgröße“ der Gründung der SS-Division gedacht. Vorher gab es unter verschiedenen Namen, beispielsweise „Tag der Helden“, bereits in anderen westukrainischen Städten ähnliche Paraden, teils organisiert von lokalen Initiativen, teils von bekennenden Nazis.
Aktuelle Aufnahmen von der Parade 2014.
2011 beteiligte sich an der Stickerei-Parade auch der Lwiwer Stadtrat der ultranationalistischen Partei Swoboda, Jurij Michaltschischin. „Nicht durch Worte, sondern durch Taten beweisen wir, dass Lwiw eigentlich Banderstadt [gemeint ist Stepan Bandera, LS] ist“, zitierte ihn das Luzker Anzeigenblättchen „Im Fadenkreuz“. „ Es ist die Hauptstadt des ukrainischen Nationalismus. Dafür kämpfte auch die Division ‚Galizien‘. Aber am neunten Mai [Tag des Sieges der Roten Armee über Nazi-Deutschland, LS] kommen die Besatzer. Wir müssen Lwiw vor diesem Abschaum schützen.“
Einheitliche T-Shirts trug eine Gruppe Nazis beim Aufmarsch 2012: Sie waren bedruckt mit einem SS-Totenkopf, der Doppelsigrune und der (deutschen) Aufschrift „Totenkopf – Meine Ehre heißt Treue“. Zum 70. Jahrestag der Divisionsgründung 2013 nahmen auch Nazis aus St. Petersburg an der Parade teil, die offen ihre Hakenkreuz-Tattoos zeigten.
Organisatoren der Lwiwer Parade waren in den letzten Jahren Nazis des „Autonomen Widerstands“. Auch die Partei Swoboda hatte sich beteiligt. Bis zu 2 000 Teilnehmende marschierten teilweise im Autonomen-Outfit, teilweise in aufwändig bestickter ukrainischer Tracht. Gezeigt wurden Transpis des „Autonomen Widerstands“ und Hochplakate mit dem gelben Löwen auf blauem Grund – dem Logo der Division. „Nicht-ordensfähige“ Einheiten der Waffen-SS wie die Division Galizien durften nicht die Doppelsigrune tragen, sondern hatten eigene Embleme. An den Denkmälern für Stepan Bandera und für den ukrainischen Lyriker Taras Schewtschenko legten die Aufmarschteilnehmenden Blumen nieder. Dazu skandierten sie Parolen wie „Galizien – Division der Helden“, „Ruhm der Ukraine – den Helden Ruhm“, „Tod den Feinden“ und „Wer sind wir? – Ukrainer! Was brauchen wir? – Macht!“
Absicht der Aktion sei es, die „Helden, die für die Ukraine kämpften“ zu ehren und „der Regierung zu zeigen, dass es in der Ukraine Menschen gibt, die bereit sind, die Interessen der Nation bis zum Letzten zu verteidigen“, erklärten die Organisatoren. Das allerdings muss der aktuellen Übergangsregierung wohl nicht bewiesen werden. Auch Viktor Juschtschenko, Präsident von 2005 bis 2010 führte, würdigte die „Freiheitskämpfer“ der Ukraine als Helden. Der im Februar abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch, der eher Russland nahesteht, lehnte diese Heldenverehrung dagegen ab. Janukowitsch hat seine Anhänger eher im Osten der Ukraine, wo der „Tag des Sieges“ am 9. Mai eine größere Rolle spielt.
Auf Facebook kursiert nun ein Aufruf für eine Stickerei-Parade am 28. April in Kryvyj Rih im Bezirk Dnipropetrowsk. In der derzeitigen politischen Situation droht der Aufmarsch zu einer Zerreißprobe zu werden.
In Lwiw wird dagegen womöglich keine „Parade der Stickerei“ stattfinden. Sowohl der „Autonome Widerstand“ als auch die ultranationalistische Partei „Swoboda“ haben angekündigt, in Lwiw dieses Jahr keine Parade durchzuführen. Nun meldete sich eine Organisation namens „Heimatland“ zu Wort, die mehreren Zeitungen gegenüber sagte, dass weder der „Autonome Widerstand“ noch die „Swoboda“ eine Parade organisieren, heiße noch nicht, dass keine Parade stattfinden werde. Den in dem Bericht nicht näher benannten „Organisatoren“ zufolge seien Parteiabzeichen sowie die schwarz-rote Fahne der Ukrainischen Aufständischen Armee verboten, ebenso Hasskappen. Lediglich ukrainische Flaggen seien erlaubt. Bandera-Symbolik sowie die traditionellen Parolen seien ebenfalls zulässig.
Die 14. Waffen-Grenadier-Division der SS wurde 1943 mit ukrainischen (im SS-Sprachgebrauch als galizisch bezeichneten) Freiwilligen und sogenannten Volksdeutschen aufgestellt. Eine Beteiligung der Division an Massakern gegen die polnische und jüdische Zivilbevölkerung, unter anderem in Huta-Pieniacka, Podkamień und Palikrowy, gilt als gesichert. Die Angehörigen der Division stammten überwiegend aus dem Raum Lemberg/Lwiw.
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