Von JEANNETTE NEUMANN

Nach Galizien sind sie jüngst auch gekommen: Große Finanzinvestoren zog es in die abgelegene, windige spanische Nordregion, die eher für ihre Tintenfischgerichte und ihre spektakuläre Atlantikküste bekannt ist als für die Anziehungskraft des großen Geldes.

Die Attraktion ist NCG Banco SA. Galiziens größte Bank steht zum Verkauf und hat sich zu dem am härtesten umkämpften Auktionsobjekt entwickelt, seit das spanische Bankensystem im vergangenen Jahr vor dem Kollaps bewahrt worden ist.

Sechs Bieter hätten bis zum Ablauf der Frist bindende Offerten für den Kauf von 88,33 Prozent an der verstaatlichten Bank vorgelegt, erklärte der spanische Bankenrettungsfonds am späten Montagabend. Zu den Interessenten gehören Guggenheim Partners und die Bankengruppe Banesco, der große Kreditinstitute in Lateinamerika gehören. Außerdem die spanischen Großbanken Banco Santander,

Banco Bilbao Vizcaya Argentaria,

und Caixabank,

wie mit dem Verkaufsprozess vertraute Personen verrieten.

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Associated Press

Eine Spanierin protestiert vor einer Filiale der verstaatlichten Bankengruppe Bankia gegen die Finanzkrise in ihrem Land.

Die Auktion könnte ein Vorbote für kommende Verkäufe sein. Seit Jahren schon sprechen optimistische Bankmanager und Private-Equity-Investoren davon, dass es zu einem Zufluss ausländischen Kapitals in den angeschlagenen Bankensektor Südeuropas kommen werde.

Bislang hat sich diese Prognose allerdings nicht materialisiert. Die Übernahmetätigkeit im spanischen und portugiesischen Finanzsektor fiel in diesem Jahr bisher schwächer aus als im Vorjahr, wie die Datensammler von Dealogic ausweisen – sowohl nach Zahl als auch nach Volumen. Nur in Italien und Griechenland verzeichneten sie bisher größere Volumina.

Investoren schielen verstärkt nach Spanien

Die Zahl der Gebote für NCG Banco deutet jedoch daraufhin, dass das Interesse internationaler Investoren an spanischen Banken inzwischen groß ist, nachdem derartige Beteiligungen bis vor nicht allzu langer Zeit noch als zu riskant abgelehnt worden waren.

Für die Zurückhaltung gab es gute Gründe: Sich im Schneeballsystem verbreitenden Verluste der Banken mit Immobilienkrediten drohten ganz Spanien in den Abgrund zu treiben, so dass die Regierung des Landes nach einigem Widerstand schließlich Rettungsbeihilfen der Europäischen Union in Anspruch nahm.

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Doch das Bild hat sich gewandelt. Spanien, das noch immer zu den größten Volkswirtschaften der Eurozone gehört, scheint die wirtschaftliche Talsohle durchschritten zu haben. Einige Investoren sind deshalb willens, die Risiken in Kauf zu nehmen, um preisgünstige Chancen im Bankensektor auszunutzen.

„Spanien steht bei jedem Kreditausschuss auf der Prioritätenliste, seien es Anleger aus dem Bereich Private Equity, Verwalter privater Großvermögen und in einigen Fällen sogar Auslandsbanken”, sagt José de Ochoa, leitender Direktor im Madrider Büro von Alvarez Marsal, einem auf Sanierungen spezialisierten Unternehmen. „Jeder will jetzt in Spanien mitspielen.”

NCG Banco ist eine von mehreren verstaatlichten Kreditinstituten, die Spanien als Teil der Rettungsvereinbarung mit der EU bis 2017 wieder privatisieren muss.

Der spanische Bankenrettungsfonds erklärte, er werde die Offerten „in den nächsten Stunden” prüfen. Entweder werde man direkt einen Zuschlag vergeben oder eine weitere Auktionsrunde mit drei Top-Bietern organisieren, heißt es in der Mitteilung. Ein konkreter Zeitrahmen für die Abwicklung wurde nicht genannt.

Risiken bei spanischen Banken bleiben

Für Spanien ist der Einsatz hoch. Noch in diesem Jahr misslang der Verkauf der Catalunya Banc aus Barcelona, einer mittelgroßen Bank. Investoren dürften denn auch jetzt versucht sein, „nur sehr wenig” für die NCG Banco zu zahlen, glaubt Robert Tornabell, Bankenprofessor an der ESADE Business School in Barcelona. Er verweist auf die weiter bestehende Sorge vor toxischem Vermögenswerten bei der Bank. „Sie ist schlecht geführt worden”, sagt er. „Keiner kann sich sicher sein, nicht doch eine böse Überraschung in der Bilanz zu finden.”

Von Regierungsvertretern in Madrid ist zu hören, dass Investoren auch bereits Interesse an einer Beteiligung am größten verstaatlichten Finanzkonzern Bankia

geäußert haben. Potenzielle Käufer hätten sich ferner nach BMN erkundigt, einer kleinen Bank, die in der Finanzkrise Hilfen der Regierung in Anspruch genommen hatte, wie eine mit der Sache vertraute Person sagte.

Investoren zeigen verstärktes Interesse an Spanien, seit das Land im dritten Quartal drei Jahre Rezession abschütteln konnte. In den vergangenen Wochen haben daraufhin die großen Ratingfirmen erklärt, eine weitere Zurücknahme der Bonität sei wenig wahrscheinlich.

BMN, Bankia und NCG Banco sind Konglomerate kleinerer Sparkassen, sogenannte Cajas. In der Hochphase des Immobilienbooms bewilligten die Institute, deren Aufsichtsgremien mit lokalen Politikern besetzt sind, massenhaft Kredite für riskante Bauprojekte und legten so den Grundstein für die schwere Bankenkrise in dem Land.

Inzwischen ist das Gröbste der Krise überstanden. Im September vereinbarte Apollo Global Management

den Kauf von Evo Banco für 60 Millionen Euro, eine Tochter der jetzt zum Verkauf gestellten NCG Banco. Es war das erste Mal seit dem europäischen Bankenrettungspaket, dass eine Beteiligungsgesellschaft wieder Bankenaktiva in Spanien erwarb.

NCG Banco ist allerdings das erste verstaatlichte Finanzunternehmen, das eine derart große, auch internationale Nachfrage ausgelöst hat. Entstanden war die Bank 2010 aus der Fusion der beiden regionalen Sparkassen Caixa Nova und Caixa Galicia. NCG Banco hat von Spanien und der EU Hilfen im Volumen von 9 Milliarden Euro bekommen. Die Bank hat 2 Millionen Kunden, 550 Filialen sowie 4.500 Mitarbeiter und deckt den überwiegenden Teil Galiziens ab. Hier kommt sie nach eigenen Angaben auf 40 Prozent Marktanteil. Diese regionale Dominanz hat dazu geführt, dass das Institut von Interessenten regelrecht umworben wird.

Galizische Bank wird von allen umworben

Banesco, eine Bank aus Venezuela, hat sieben spanische Journalisten dafür bezahlt, dass sie eine Reise nach Lateinamerika unternehmen und Bankfilialen in Caracas, in Panama-Stadt und in Santo Domingo, in der Dominikanischen Republik, besuchen. Banesco-Manager hätten mehrfach betont, dass sie im Falle eines Zuschlags die Belegschaft bei NCG Banco komplett erhalten wollen, sagt Rubén Santamarta, ein Journalist, der für die Zeitung La Voz de Galicia an der gesponserten Reise teilgenommen hat.

Bei Guggenheim haben Manager seit Anfang 2012 in fast monatlichem Rhythmus Besuche in Galizien unternommen, seit entschieden worden sei, dort zu investieren, wie ein mit den Interessen der Beteiligungsgesellschaft vertrauter Informant sagte.

Das große Interesse an NCG Banco hat eine Debatte darüber ausgelöst, welcher Investor für Galizien und für Spanien als Ganzes wohl der Beste wäre. Geführt wird sie in den Finanzzirkeln der spanischen Hauptstadt ebenso wie in den Fischrestaurants an der galizischen Küste.

Ein Lager hat sich deutlich auf die Seite der internationalen Investoren geschlagen. Ihr Argument: Käme ein Käufer vom Schlage Guggenheims zum Zuge, dann wäre das ein kräftiger Vertrauensbeweis für die langsam startende Erholung Spaniens. Internationale Investoren könnten überdies besser die Jobs bei der Bank erhalten, die anderen Banken seien doch selbst mit Filialen in der Region an der spanischen Nordküste vertreten, wo die Arbeitslosigkeit derzeit bei 22 Prozent liegt.

„Die beste Option wäre ein Käufer, der keine Jobs streicht, sondern neue Stellen schafft”, sagt Andres Gallego, Miteigner des Meeresfrüchterestaurants Coral in der Küstenstadt von La Coruña, wo NCG Banco einen der beiden Hauptsitze hat.

Kritiker halten dagegen, es bestehe das Risiko, dass eine Private-Equity-Gesellschaft NCG Banco schnell wieder verkaufe, sollte sich die erwartete Rendite nicht einstellen oder die faulen Kredite größer ausfallen als gedacht. Im schlimmsten Fall könnte die Bank am Ende wieder in den Händen der Regierung landen.

Die spanische Zentralbank hat auf dieses Risiko schon reagiert und verlangt von Käufern – inländischen wie ausländischen –, dass sie ihre Beteiligung wenigstens fünf Jahre halten und dass sie Kapital für wenigstens 3 Prozent der gewichteten Risikoaktiva beiseitelegen. Im Falle von NCG Banco hieße das für Investoren, dass sie 800 Millionen Euro auf einem Sonderkonto parken müssten.

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