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Der galizische "Architekt"
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Mit einem Ball aus Lumpen begann Luis Suárez in der spanischen Nachkriegszeit in den Straßen von La Coruña mit dem Fussballspielen. Seine Freunde rissen sich darum, ihn bei den Spielen im Viertel in ihrer Mannschaft zu haben. Schon bald wurde Deportivo La Coruña auf Luisito aufmerksam, und im Alter von 17 Jahren debütierte er in der Primera División. Trotz seiner Jugend kristallisierten sich schon damals seine Präzision und Eleganz heraus, die ihn sein ganzes Leben lang charakterisieren sollten.
1954 sicherte sich der FC Barcelona die Dienste des schnellen linken Mittelfeldspielers mit der verblüffenden Technik, Spielübersicht und erstaunlichen Torgefährlichkeit. Dort traf Luis Suárez auf den Trainer Helenio Herrera, der einen entscheidenden Einfluss auf seine Karriere haben sollte. Er blieb sieben Spielzeiten bei Barça und wurde zwei Mal spanischer Meister, zwei Mal Pokalsieger und gewann zwei Mal den Messestädte-Pokal.
Nur einen Titel verpasste er: Die letzte Partie im Trikot Barças war das Europapokal-Finale 1961 in Bern, das die Katalanen mit 2:3 verloren. “Es war der Negativpunkt meiner Zeit in Barcelona. Ich sage immer: Von allen Endspielen, an denen ich teilgenommen habe, ist es das einzige, das ich verloren habe, obwohl ich es angesichts des Spielverlaufs hätte gewinnen müssen. Dieser kleine Stachel blieb”, räumte Suárez vor einigen Jahren gegenüber FIFA.com ein.
Der Galizier spielte jene Partie in dem Bewusstsein, dass es seine letzte für Barcelona sein würde. Herrera, der bereits Trainer von Inter Mailand war, bemühte sich um seine Verpflichtung. Und der italienische Klub ließ sich diesen Wunsch ein Vermögen kosten: 25 Millionen Peseten (etwa 204.000 Euro) waren in jener Zeit ein Transferrekord. Das Geschäft wurde fünf Tage vor dem unglücklichen Finale abgeschlossen. Nach dem Abschied des Spielmachers sollte es 14 Jahre dauern, bis Barcelona wieder die spanische Meisterschaft gewann. Dies gelang erst nach der Ankunft von Johan Cruyff.
Grande Inter
Das Auswandern hat in Galizien Tradition, und so gehörte Suárez zu den ersten spanischen Fussballern, die ihr Glück in der Fremde suchten. Er eroberte zwar keinen neuen Kontinent, aber Ruhm und Titel in Italien. In seinem Koffer lag bereits der Ballon d’Or, den er 1960 gewann. Suárez ist bis heute der einzige Spanier, dem diese Ehre zuteilwurde.
“Es hat viele spanische Spieler gegeben, die diese Auszeichnung verdient hätten. Doch es hängt stark von dem Moment ab, in dem du lebst. Du musst das Glück haben, dass kein anderer großer Spieler deiner Generation so gute Leistungen zeigt wie du. Es hat großartige Spieler gegeben, die diese Auszeichnung nie erhalten haben”, sagte er zu FIFA.com. Gleichzeitig räumte er ein: “Den Preis in einer Epoche gewonnen zu haben, in der es so große Spieler wie Di Stefano oder Puskás gab, ist natürlich sehr schön.”
Es mag angesichts seiner Position als offensiver Spielmacher erstaunlich klingen, doch Luis Suárez feierte ausgerechnet unter dem Erfinder des Catenaccio die größten Erfolge. Er musste seine Spielweise mit seinem Drang zum Tor umstellen, um in einem italienischen Fussball erfolgreich zu sein, in dem es in erster Linie darum ging, nicht zu verlieren. “Das Wichtigste war, keine Tore zu kassieren, und ich kam von einer anderen Mentalität. Bei Barcelona spielte ich als Mittelfeldspieler, der viele Tore machte. Ich musste mich an die neue Situation anpassen, zum Wohle der Mannschaft und um Titel zu erringen”, räumte er ein.
An seinem Können sollte es definitiv nicht scheitern, und es gelang ihm weit mehr als sich nur anzupassen. Als Dirigent von Grande Inter setzte Suárez seine Siegesserie an der Seite von Stars wie Mario Corso, Giacinto Facchetti, Sandro Mazzola, Tarcisio Burgnich, Jair, Aristide Guarneri, Angelo Domenghini oder dem großen Kapitän Armando Picchi fort. In seinen neun Spielzeiten bei den Mailändern wurde er drei Mal italienischer Meister und gewann je zwei Mal den Europapokal der Landesmeister sowie den Weltpokal. Und er gehörte weiterhin zu den ersten Kandidaten auf den Ballon d’Or. 1961 und 1964 wurde er jeweils Zweiter, 1965 Dritter.
Während er mit Mailand an seiner Legende strickte, schrieb er auch als Kapitän der Furia Roja Geschichte. Iríbar; Rivilla, Calleja, Zoco, Olivella; Fusté, Amancio, Marcelino, Pereda; Suárez und Lapetra – diese Elf eroberte den ersten Titel für die spanische Nationalmannschaft: Die Europameisterschaft 1964 gegen die UdSSR. Insgesamt kam er auf 32 Länderspiele, in denen er 13 Tore erzielte, und nahm in Chile 1962 und England 1966 an zwei FIFA Fussball-Weltmeisterschaften teil. Doch das ist eine andere Geschichte.
“Der Architekt”, wie Suárez von Alfredo Di Stefano aufgrund seiner Präzision und Spielübersicht getauft wurde, verließ 1970 Inter Mailand und verbrachte seine drei letzten Jahre als aktiver Fussballer bei Sampdoria Genua.
Nach seinem Rücktritt blieb er dem Fussball als Trainer verbunden. Aber lachend räumte er selbst ein: “Als Trainer erging es mir nicht sehr gut, als Spieler lief es besser.” Er saß unter anderem bei Inter Mailand, Deportivo La Coruña oder Cagliari Calcio auf der Bank und führte die Nationalelf nach Italien 1990. Spanien schied im Achtelfinale nach Verlängerung gegen Jugoslawien aus.
Als er seine Karriere als Trainer beendet hatte, ließ sich Luis Suárez in Italien nieder und gehörte dem technischen Stab von Inter Mailand an. Seine Liebe zu den Nerazzurri sollte ihn nie verlassen, genauso wenig wie sein charakteristischer Akzent, der die Herkunft des galizischen “Architekten” verriet.
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