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Warschau/Moskau/Wien (APA) – Zweimal im 19. Jhdt. – im November 1830 und im Jänner 1863 – hatten polnische Patrioten vergeblich versucht, die Herrschaft des russischen Zarenreiches über ihr Land abzuschütteln. Beide Aufstände wurden niedergeschlagen, im Jänner 1863, also vor 150 Jahren, mündete dies in einer nationalen Katastrophe für die Polen. Das geistige und kulturelle Polentum fand seine letzte Zuflucht im damals österreichischen Galizien-Lodomerien.
Polen war im 18. Jhdt. durch drei Teilungen – 1772, 1793 und 1795 – von der Landkarte Europas verschwunden. Auf dem Wiener Kongress 1814/15 erfolge mehr oder weniger eine „vierte Teilung“: das Russische Zarenreich behielt alle Erwerbungen der vorangegangenen Teilungen, dazu kam jetzt noch die Region um Bialystok. Österreich behielt den Galizien-Lodomerien genannten Teilungsanteil von 1772, nur Krakau wurde zu einer „freien Stadt“ (bis 1846). „Großpolen“ (die Region um Posen und Gnesen) fiel als „Großherzogtum Posen“ mit Sonderstatus an Preußen. Das um Posen und Krakau verkleinerte „Herzogtum Warschau“ wurde als „Königreich Polen“ auf dem Wiener Kongress (daher „Kongresspolen“) in Personalunion mit Russland vereinigt, erhielt aber eine eigene Verfassung, ein Parlament (Sejm), eigenes Heer und Verwaltung.
Im November 1830 verübten polnische Patrioten in Warschau ein Attentat auf den von Russland eingesetzten Statthalter, Großfürst Konstantin Pawlowitsch, einen Bruder der Zaren Alexander I. (reg. 1801-25) und Nikolaus I. (reg 1825-55). Das Attentat scheiterte, doch der Großfürst verließ eilends Warschau in Richtung Russland. Innerhalb einer Woche war Kongresspolen durch polnische Freiwilligenverbände von russischen Truppen befreit, der Überraschungserfolg war aber nicht von Dauer. Treibende Kraft der polnischen Aufständischen waren Teile des Offizierskorps, Studenten, sowie national und liberal gesinnte Adelige.
Sie nahmen die im gleichen Jahr erfolgte Julirevolution in Frankreich und die Unabhängigkeitserklärung Belgiens von den Niederlanden zum Vorbild für ihr Bestreben, wieder einen polnischen Nationalstaat zu errichten. Da die erhoffte militärische Hilfe des liberal gesinnten Europa (insbesondere Großbritanniens und Frankreichs) ausblieb, konnten die Aufständischen durch eine russisch-preußische Offensive bis September 1831 besiegt werden. Zar Nikolaus I., der „Gendarm Europas“, verhängte zahlreiche Repressalien: das polnische Heer wurde aufgelöst, Güter polnischer Adeliger konfisziert, die Warschauer Universität geschlossen und die polnische Katholische Kirche einer strengen Aufsicht unterstellt.
Nach der Niederschlagung versuchten Emigranten wie Adam Czartoryski und der polnische Nationaldichter Adam Mickiewicz, die europäischen Höfe für die Lösung der polnischen Frage zu gewinnen und demokratisch gesinnte Persönlichkeiten davon zu überzeugen, dass der Kampf für Polens Freiheit ein Kampf für die Freiheit im Allgemeinen sei. Auch der junge Komponist Frederic Chopin verließ damals für immer seine Heimat. 1846 bzw. 1848 gab es im österreichischen und preußischen Gebiet Polens kurze, relativ rasch unterdrückte Aufstände, die zur Eingliederung Krakaus in das österreichische Galizien und zur Einschränkung der Sonderstellung Posens in Preußen führten.
Der vor 150 Jahren, am 10. Jänner 1863 ausgebrochene Aufstand polnischer Patrioten war der letzte Versuch Polens im 19. Jhdt., sich von der russischen Herrschaft zu befreien und einen polnischen Staat wieder zu begründen. Die Aufständischen, deren Führung zum Teil schon in den Händen bürgerlicher Persönlichkeiten lag, hatten vergeblich versucht, die europäischen Mächte zum Einschreiten bei der russischen Regierung zu veranlassen.
Angestrebt wurde von den Aufständischen auch eine Verbesserung der sozialen Bedingungen, auch die bisher vernachlässigten Bauern wollte man für die nationale Sache gewinnen. Der Aufstand wurde von Russland, das sich bei Preußen Rückendeckung verschafft hatte, nach kurzer Zeit blutig niedergeschlagen. Nur in Wolhynien errang im Sommer 1863 Romuald Traugutt (1826-64) , der bis 1862 im russischen Heer gedient hatte, als Partisanenführer Erfolge und erklärte sich im Oktober 1863 zum Diktator. Er versuchte auch, die Bauern für eine radikale Bodenreform zu gewinnen. Traugutt wurde im Mai 1864 verhaftet und im August desselben Jahres hingerichtet.
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