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Warschau/St. Petersburg/Wien (APA) – – Für Kongresspolen bedeutete die Niederschlagung des Aufstandes von 1863 eine Katastrophe: die bisherige polnische Selbstverwaltung wurde von Russland aufgehoben, die Führer der Aufständischen hingerichtet und zahlreiche Patrioten nach Sibirien verbannt. Zar Alexander II. (reg. 1855-81) befahl eine rücksichtslose Russifizierungspolitik in Polen, die im Verbot des Gebrauchs der polnischen Sprache gipfelte. Preußen und Russland vereinbarten in der Konvention von Alvensleben weitere gemeinsame Unterdrückungsmaßnahmen.
Zu dem Widerstand gegen die preußische Polenpolitik, die seit 1870, besonders aber seit 1886 die Zurückdrängung des polnischen Bevölkerungsanteiles in Preußen anstrebte, kam noch der religiöse Gegensatz zwischen polnische Katholiken und preußischen Protestanten als weiterer Unruhefaktor. In dem nach 1863 „Weichselland“ genannten russischen Teil Polens kam es in der Folge, besonders nach der Wende vom 19. zum 20. Jhdt. zu scharfen Gegensätzen zwischen den überwiegend bürgerlichen Nationaldemokraten und polnischen Sozialisten, die sich aus der wachsenden Arbeiterschaft in den Industriezentren rekrutierten. Erstere suchten den Ausgleich und eventuell eine Zusammenarbeit mit Russland unter panslawistischem Vorzeichen. Letztere traten für die notfalls mit Waffen zu erkämpfende Unabhängigkeit Polens ein, auf die die Verwirklichung des Sozialismus folgen sollte.
Ganz anders entwickelte sich die Situation im österreichischen Galizien-Lodomerien. Dort hatte bis zu seinem Sturz 1848 Staatskanzler Fürst Metternich eine feindselige Haltung gegen polnische Unabhängigkeitsbestrebungen eingenommen und seinen Polizei- und Verwaltungsapparat zur Unterdrückung politischer und kultureller Regungen der Polen in Galizien eingesetzt. Von polnischen Adeligen wurde Metternich wiederholt eine zweideutige Haltung vorgeworfen, ebenso, den Beziehungen Österreichs zu Russland im Rahmen der Heiligen Allianz alles andere unterzuordnen. Auch nach 1830 hatte in Österreich trotz gewisser Sympathien für die Anliegen der Polen das Prinzip der „legitimen Herrschaft“ über alle anderen Erwägungen obsiegt. Für viele Polenflüchtlinge war Österreich Durchgangsstation in die langen Jahre der Emigration.
Nach 1863 hatten Adel und Großgrundbesitz in Galizien-Lodomerien von Widerstand genug. 1866 verabschiedete der galizische Landtag in Lemberg die berühmte Loyalitätserklärung gegenüber Kaiser Franz Josef („Bei Dir, gnädiger Herr, stehen wir und bei Dir wollen wir stehen“). Im Gegenzug kamen aus Wien für das politische Wohlverhalten konkrete Zugeständnisse: für die Unterstützung des Kaisers beim dualistischen Umbau der Donaumonarchie wurde Galizien eine Landesautonomie gewährt. Grundpfeiler dieser Autonomie war die Polonisierung von Verwaltung, Gerichts- und Schulwesen, die sich aber zunehmend gegen die in Galizien lebenden Ruthenen (Ukrainer) richtete. Die beiden Landesuniversitäten in Krakau und Lemberg waren polnische Universitäten und letzte Zuflucht der patriotischen geistigen und kulturellen Elite des Polentums. 1873 kam es auch zur Gründung einer polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau. Das Kronland Galizien, in dem allerdings Adel und Großgrundbesitz federführend waren, erhielt das Privileg, einen eigenen Minister in die Wiener Zentralregierung (der österreichischen Reichshälfte) zu entsenden. Er hatte zwar kein Portefeuille, aber eminenten politischen Einfluss.
Fernziel der polnischen Bevölkerung Galiziens blieb aber die Wiederbegründung des polnischen Staates, zu der es aber erst nach dem Ersten Weltkrieg kommen sollte. Historiker sprechen in Anlehnung an die Tatsache, dass die Einigung Italiens vom Königreich Sardinien-Piemont aus erfolgt war, von Galizien als eine Art „polnischem Piemont“.
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