Wunsiedel Wenn am Freitag um 9.10 Uhr auf dem Flugplatz Nürnberg ein Airbus A 319 der spanischen Fluggesellschaft Vueling Airlines zur Landung ansetzt, dann ist das für 13 Menschen aus Galizien ein entscheidender Schritt in ein neues Leben. In Deutschland. In Bayern. In Wunsiedel. Denn bei den neun Männern, drei Frauen und einem acht Jahre alten Jungen handelt es sich um Bürger aus der spanischen Stadt Padrón und ihrer Umgebung, die im Rahmen des Wunsiedler Spanien-Projektes in der Festspielstadt leben und arbeiten werden.

Mit Freude fiebert Wunsiedels zweiter Bürgermeister Roland Schöffel, der gemeinsam mit Inge Schuster von der Stadtverwaltung die Spanier am Flugplatz abholen wird, dem Termin entgegen. Schöffel ist der geistige Vater des Spanien-Experiments, mit dem die Stadt Wunsiedel eine – so würden man es im Wirtschaftsdeutsch formulieren – Win-Win-Situation für mehrere Seiten schaffen will: Sie will zum einen ihre eigenen Bevölkerungszahlen stabilisieren und den heimischen Unternehmen helfen, die zunehmend unter Facharbeitermangel leiden. Und zum anderen will sie den spanischen Bürgern einen Weg aus der Arbeitslosigkeit ermöglichen.

Mit Hilfe einer Beraterin hat die Stadt Wunsiedel eine Auswahl in Spanien getroffen: “Wir haben genau die Bewerber ausgesucht, die zu den Anforderungsprofilen unserer Firmen passen”, betont Inge Schuster vom Bürgermeister-Büro. So kämen nun Fachkräfte der unterschiedlichsten Bereiche nach Wunsiedel. Bei Videokonferenzen hatten sich in den vergangen Wochen die Bewerber bei ihren künftigen Arbeitgebern vorgestellt; bei einem Empfang am Freitagnachmittag im Rathaus werden sich die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber erstmals von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Für 1. September ist der Arbeitsbeginn vorgesehen.

Die gezielte Auswahl war den Akteuren beim Wunsiedler Spanienprojekt besonders wichtig. Das betont Inge Schuster ebenso wie Roland Schöffel. Denn sie wollten vermeiden, dass sich in Wunsiedel das Beispiel von Schwäbisch Hall wiederholt: Die Stadt hatte in portugiesischen Medien um Fachkräfte geworben und war mit 15 000 Bewerbungen überschwemmt worden. Nach einem Bericht von Spiegel-Online hätten aber bis Ende Juli nur 26 Menschen einen Job gefunden. “Nachfrage und Angebot passen nicht immer zusammen”, zitiert das Online-Magazin den Stadtsprecher Martin Kaspar.

Wunsiedel setzt dagegen auf ein gezieltes Vorgehen. Die Stadt hatte zu Beginn des Spanien-Projektes bei den heimischen Firmen den Fachkräftebedarf abgefragt und festgestellt, dass es derzeit rund 60 qualifizierte Arbeitsstellen gibt, die nicht mit Einheimischen besetzt werden können. Und Roland Schöffel wird nicht müde, immer wieder zu betonen, dass im Landkreis Wunsiedel keine Massenarbeitslosigkeit mehr herrsche, dass tatsächlich der Fachkräftemangel mehr und mehr zu einem Problem werde. “Hier gibt es noch Aufklärungsbedarf. Die Menschen wissen das nicht.”

Aber nicht nur beim Thema “Arbeitsplatz” geht die Stadt Wunsiedel strikt nach Plan vor, sie tut es auch bei der Integration: Die Bürger aus Galizien haben als Vorbereitung bereits in ihrer alten Heimat einen Deutsch-Crash-Kurs mit 200 Stunden absolviert; in ihrer neuen Heimat geht mit Kursen über die Volkshochschule das Lernen weiter. Roland Schöffel hält die Sprachkenntnisse für einen entscheidenden Schlüssel. “Die Facharbeiter müssen jetzt auch ein soziales Umfeld bekommen.” Der zweite Bürgermeister ist sehr froh darüber, dass sich aus dem ganzen Landkreis Bürger gemeldet haben, die Spanisch sprechen und den Spaniern helfen können. In der ersten Zeit werden die Fachkräfte als Mieter gemeinsam in der Alten Apotheke wohnen. Die Stadt hat dieses Gebäude renovieren lassen. Im Lauf der Zeit kann dann jeder – so, wie er will – sich eine eigene Wohnung suchen.

Schöffel ist schon sehr gespannt, wie sich das Wunsiedler Experiment weiter entwickeln wird. Der Mut der Spanier, einen Neuanfang zu wagen, nötigt dem zweiten Bürgermeister aber schon heute Respekt ab. Vor allem das Beispiel der Mutter, die mit ihrem achtjährigen Sohn ins Fichtelgebirge zieht und später die ältere Tochter nachholt. “Das ist toll, dass eine Familien einen neuen Lebensabschnitt wagt.”

Das ist toll, dass eine Familie einen neuen Lebensabschnitt wagt.

Zweiter Bürgermeister Roland Schöffel über das Beispiel einer spanischen

Mutter, die mit Kindern nach Wunsiedel kommt

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