Jul
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Cottbuser Ermittler sind einem mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher auf der Spur. Der 91-Jährige soll an der Exekution von 360 Juden beteiligt gewesen sein
Cottbus/Ludwigsburg – Knapp 70 Jahre sind vergangen, doch die Erinnerung an das grausame Verbrechen ist geblieben: 360 Juden aus dem Ghetto der ukrainischen Stadt Shitomir wurden im Spätherbst 1942 von SS-Schergen auf einer Waldlichtung nahe der Stadt hingerichtet. Rund 16 Monate zuvor hatte Adolf Hitler den Überraschungsangriff auf Russland befohlen. Neuer „Lebensraum im Osten“ sollte erobert und der „jüdische Bolschewismus“ vernichtet werden. Am Zweck der Fahrt auf den Lkw dürfte es daher bei den Juden aus Shitomir kaum Zweifel gegeben haben. Für einen Cottbuser allerdings könnte die Erinnerung nun ernste Folgen haben: Die Staatsanwaltschaft Cottbus wirft ihm vor, an der Exekution bei Shitomir beteiligt gewesen zu sein.
Bei dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher soll es sich um den 91-jährigen Herbert N. handeln. Alten Unterlagen zufolge soll er als SS-Sturmmann im Kommandostab Reichsführer-SS gedient haben – in jener Einheit also, die im Oktober und November 1942 wenigstens zwei Mal Juden aus dem Shitomirer Ghetto auf die Waldlichtung gebracht und erschossen haben soll. Zudem wurde N. Medienberichten zufolge noch im Dezember 1942 das Kriegsverdienstkreuz verliehen, was oft nach einer Teilnahme an einer Exekution geschah. „Wir ermitteln wegen des Verdachts der zweifachen Beihilfe zum Mord“, bestätigte am Montag die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Cottbus, Petra Hertwig, den PNN.
Den Tipp bekamen die Lausitzer Ermittler von der Zentralstelle der Landesjustizverwaltung zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg (Baden-Württemberg). Sie verfolgt seit 1958 im Auftrag aller Bundesländer ungeklärte NS-Verbrechen. Bei Herbert N. handelt es ich jedoch um einen Zufallstreffer. „Wir sind auf den Namen im Ermittlungszusammenhang mit einer anderen Person gekommen“, bestätigte Thomas Will, stellvertretender Leiter der Zentralstelle, am Montag. „Im Frühjahr haben wir das Verfahren an Cottbus abgegeben.“
Angaben der dortigen Staatsanwaltschaft zufolge wurde N. bereits im Juni von einem Polizeibeamten und einem Oberstaatsanwalt vernommen. Dabei habe er auch eine Aussage gemacht, sagte Sprecherin Hertwig am Montag. Zu Details wolle man sich vorerst nicht äußern. Geprüft werde, ob sich aus den Aussagen möglicherweise weitere Ansätze für Ermittlungen ergeben. Thomas Will von der Zentralstelle warnt jedoch vor einer Vorverurteilung. „Zunächst einmal gilt die Unschuldsvermutung. Zudem lässt der Umstand, dass jemand einer bestimmten Einheit zugeteilt war, noch nicht den Schluss zu, dass er auch an einer Exekution beteiligt gewesen war. Er könnte auch zum fraglichen Zeitpunkt im Urlaub, oder einer Sondereinheit zugeteilt gewesen sein.“
Die Quellen rund um die beiden Exekutionen sind allerdings äußerst dünn. Im Internet finden sich kaum Verweise auf die Ereignisse. Belegt sind sie laut Medienberichten durch die Aussage eine 1971 verstorbenen Zeugen, der von den Ereignissen während seiner russischen Kriegsgefangenschaft berichtet haben soll. Ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Wiesbaden gegen den mutmaßlichen Anführer des Exekutionskommandos wurde 1958 angeblich wegen Zweifeln an der Richtigkeit der Zeugenaussage eingestellt.
Erst vor gut einem halben Jahr hatten Ermittler aus Dortmund nach der Auswertung von Stasi-Unterlagen einen weiteren vermeintlichen SS-Kriegsverbrecher in Brandenburg ausfindig gemacht. Dem 86-Jährigen aus dem Kreis Märkisch-Oderland und sechs weiteren Verdächtigen wird wie berichtet vorgeworfen, an der Ermordung von 642 Menschen im französischen Oradour-sur-Glane im Juni 1944 beteiligt gewesen zu sein. Nach einem ersten Besuch der Ermittler im vergangenen Oktober war zunächst unklar, ob der 86-Jährige überhaupt vernehmungsfähig ist. „Mittlerweile sind alle Verdächtigen auf ihre Vernehmungsfähigkeit hin untersucht worden“, teilte Andreas Brendel von der Staatsanwaltschaft Dortmund am Montag mit. Angaben zu einzelnen Personen machte er jedoch nicht. Allerdings, so Brendel, sei ein Rechtshilfegesuch an Frankreich in Vorbereitung. „Bei den Ermittlungen hat sich gezeigt, dass noch Zeitzeugen und Angehörige leben, die vernommen werden sollen.“
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