травня
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Sprechen Sie Feuilleton?: U wie Ukraine
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Das Land hat in Westeuropa einen üblen Ruf.” Klingt so, als habe schon Joseph Roth über die heutige Ukraine geschrieben, und in einem gewissen Sinne hat er das auch. Nicht nur, weil seine Heimat, das alte Kronland der k.-u.-k.-Monarchie mit dem fast schon sagenhaft klingenden Namen “Königreich Galizien und Lodomerien”, in der heutigen Westukraine zu suchen und zu finden ist. Nein, auch Joseph Roth wusste, wie sehr der westliche Blick auf sein Land von Vorurteilen geprägt ist, und thematisierte das mit zahlreichen literarischen Texten und Feuilletons.
Und als man sich diese Woche fragte, wie gelenk oder ungelenk ein Fußball-Bundestrainer seine Solidarität zu Julia Timoschenko bekennen kann, da kam einem eben Roth wieder in den Sinn, der solche Kommentatoren wenig originell fand: “Er kennzeichnet weniger die Gegend als die Originalität, die er nicht besitzt.” Roth, der Ostjude, kannte sich aus mit den vielen wohlfeilen westeuropäischen Kommentaren gegenüber seiner Heimat, die zu seiner Zeit vor allem mit “Ungeziefer, Unrat und Unredlichkeit” in Verbindung gebracht wurde.
Bestimmt ist Galizien nicht alles, aber vielleicht trotzdem ein ganz guter Anfang, um sich gerade als Leser eine Idee von der historischen Ukraine jenseits der symbolpolitischen Gesten zu verschaffen. Man könnte zum Beispiel Roths Roman “Radetzkymarsch” lesen, der vor 80 Jahren herauskam.
Wer die Ukraine näher am Hier und Jetzt sucht, dem sei eine andere “Reise nach Galizien” empfohlen: Die von Verena Dohrn 1991 unternommene Tour durch verschiedene Grenzlandschaften des alten Europa ist ein Anachronismus für sich, weil sie noch zu Zeiten der Sowjetunion stattfand. Aber lesenswert, weil sie sich für die ehemalige Vielvölkerkultur auf dem Boden der beiden EM-Gastgeberländer interessierte: Von “Menschen mit großen Namen – Joseph Roth, Rosa Luxemburg, Paul Celan, Rose Ausländer, Manès Sperber, Wilhelm Reich, Helene Deutsch, die Brüder Isaac Bashevis und Israel Joschua Singer” – erzählt Dohrn. Nehmen wir vielleicht Andrzej Kusniewicz und Józef Korzeniowski noch dazu, den polnischen Ethnografen, dann wäre das eine kulturelle Elf, mit der man mal anfangen könnte.
Es wäre auch schön, wenn vielleicht mal ein Reporter nicht nur einfliegt, sondern die Bahn nimmt. Von der deutschen Grenze nach Brody dauert es heute übrigens so lange wie damals von Wien aus: “Siebzehn Stunden saß Leutnant Trotta im Zug. In der achtzehnten tauchte die letzte östliche Bahnstation der Monarchie auf. Hier stieg er aus.”
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